Maklerprovisionen in der beruflichen Vorsorge: Ein echtes Kopfzerbrechen!
Ein Interview mit Frau Laurence Uttinger – aus Sicht des Vorsorgerechts.
Aktuell arbeiten Kollektiv- und Gemeinschaftsstiftungen im Allgemeinen mit Versicherungsmaklern zusammen, um ihre Geschäfte auszubauen. Innerhalb der FCT ist es die paritätische Vorsorgekommission des Vorsorgewerkes des angeschlossenen Unternehmens, welche entscheidet, ob sie mit einem Versicherungsmakler zusammenarbeiten möchte. Danach wird eine Maklervereinbarung für die betreffende Vorsorgekasse mit dem Makler abgeschlossen. Wie lange wird diese Praxis noch möglich sein?
Der Bundesrat hat sich in seiner Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und Optimierung in der 2. Säule der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge) vom 20. November 2019 mit der Frage der Einrichtung von Courtagen an Makler befasst. Der Bundesrat stellt fest, dass es durchaus problematisch ist, wenn nicht der Arbeitgeber als Auftraggeber den Makler bezahlt, sondern die Vorsorgeeinrichtung mittels volumenabhängiger Kommissionen für die Entschädigungen aufkommt. Er hält fest, dass solche Entschädigungen an den Versicherungsvermittler, die aus dem Vorsorgevermögen bezahlt werden, nicht im Interesse der Versicherten und deshalb mit dem Vorsorgeziel nicht vereinbar sind1.
Das Thema ist nichts Neues. Im November 2018 veröffentlichte die Assoziation des Schweizerischen Pensionskasssenverband (ASIP) eine Fachmitteillung (Nr. 113), welche die Thematik der Maklerentschädigung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Governance und des Rechts, aufwirft. Im Anschluss an diese Veröffentlichung beauftragte der ASIP Frau Laurence Uttinger, ein Gutachten hinsichtlich dessen zu verfassen. Frau Uttinger, Rechtsanwältin spezialisiert im Bereich der beruflichen Vorsorge und Gründerin der AVS Rechtsanwälte AG in Zug, hat sich bereits im Jahr 2016 mit der Problematik der Courtage in Zusammenhang mit der Pensionskassen auseinandergesetzt2. Frau Uttinger hat uns freundlicherweise weitere Informationen in diesem Zusammenhang gegeben.
Der Bundesrat stellt fest, dass Entschädigungen von Vorsorgeeinrichtungen an Broker mit dem Vorsorgeziel nicht vereinbar sind. Sehen Sie das auch so?
Ich bin der Meinung, dass Courtagenzahlungen an Broker mit Vorsorgemitteln nicht zulässig sind, wenn der Broker Aufgaben der Arbeitgeberin übernimmt.
Im Schweizer Recht kommen der Arbeitgeberin in Bezug auf die Versicherung ihrer Arbeitnehmer umfassende Pflichten zu. So ist einzig die Arbeitgeberin zur Meldung und Beitragsentrichtung an die Ausgleichskasse für AHV-, IV-, EO-, AlV- und FAK-Beiträge verpflichtet. Auch trifft sie die Pflicht, ihre Mitarbeiter gegen Unfall zu versichern und sich einer Vorsorgeeinrichtung anzuschliessen. Es gibt Arbeitgeberinnen, die einen Broker beauftragen, der sie bei der Suche nach der Vorsorgeeinrichtung unterstützt. Sehr oft bezahlt heute aber nicht die Arbeitgeberin selbst den Vermittler, welchen sie mit der Suche nach einer Vorsorgeeinrichtung beauftragt hat. Vielmehr erhält dieser die Entschädigung von der Vorsorgeeinrichtung. Diese Entschädigung, welche während der ganzen Vertragsdauer in Form eines Prozentsatzes der Prämien ausgerichtet und als „Courtage“ bezeichnet wird, wird zulasten des Vorsorgevermögens an Vermittler bezahlt.
Dies ist aus meiner Sicht aus zwei Gründen nicht zulässig:
Erstens muss das Vermögen der Vorsorgeeinrichtung von Gesetzes wegen dem Vorsorgezweck dienen, d.h. der Sicherung der angemessenen Lebenshaltung der Versicherten im Falle von Alter, Tod und Invalidität. Dieses Postulat wird stark akzentuiert durch die steuerrechtliche Behandlung der Vorsorgeeinrichtungen: Diese sind nämlich nur dann von den direkten Steuern auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene befreit, sofern ihre Mittel ausschliesslich der beruflichen Vorsorge dienen. Alle für die Stiftung tätigen Personen, also der Stiftungsrat, die Geschäftsführung und die Verwaltung, müssen bei ihrer Tätigkeit die Interessen der Versicherten der Vorsorgeeinrichtung wahren und unterliegen diesbezüglich einer treuhänderischen Sorgfaltspflicht. Das heisst, dass sie sich bei jeder Ausgabe fragen müssen, ob diese dem Vorsorgezweck dient. Wenn die Vorsorgeeinrichtung nun Vorsorgegelder verwendet, um jemanden zu entschädigen, der der Arbeitgeberin bei ihren gesetzlichen Aufgaben hilft, dient das meines Erachtens nicht der Sicherung des Vorsorgezwecks.
Zweitens ist es an der Arbeitgeberin, die passende Vorsorgeeinrichtung finden. Die Mitarbeiter müssen dabei zwar – zumindest in der obligatorischen Vorsorge – miteinbezogen werden und der Wahl zustimmen. Es gibt aber keine gesetzliche Grundlage, den Mitarbeitern einen Teil der Aufwendungen für die Suche der passenden Vorsorgeeinrichtung vom Lohn abzuziehen. Genau dies geschieht aber, wenn Courtagen aus paritätisch geäufnetem Vorsorgevermögen bezahlt werden.
Was könnten die resultierenden rechtlichen Folgen für die Vorsorgeeinrichtung sein, wenn sie trotzdem Courtagen bezahlt?
Wenn Vorsorgevermögen zweckentfremdet wird, können die Stiftungsorgane für den entstandenen Schaden haftbar gemacht werden.
Der Bundesrat zitiert auch Interessenkonflikte: Seines Erachtens besteht ein Interessenkonflikt, da sich nicht nachvollziehen lässt, ob sich der Makler für die beste Variante für die Arbeitgeberin oder für diejenige Lösung entschieden hat, die ihm die höchste Entschädigung bringt. Wie sehen Sie das?
Im Courtagensystem verdient ein Broker mehr, wenn er der Arbeitgeberin eine Vorsorgeeinrichtung vermittelt, die ihm mehr Courtagen bezahlt. Zwar müssen alle Broker die Courtagen, die die verschiedenen Vorsorgeeinrichtungen zahlen, bei der Gegenüberstellung der Offerten offenlegen. Die Praxis zeigt aber, dass Vorsorgeeinrichtungen die gar keine Courtagen zahlen, einfach nicht angefragt werden – was der Arbeitgeberin natürlich nicht bewusst ist. Der vorliegende Interessenkonflikt ist offensichtlich.
Im Ergebnis bin ich der Meinung, dass die Transparenzvorschriften schon einiges gebracht haben. Aber es ist auch klar, dass das Courtagensystem in Bezug auf Interessenkonflikte an einem grundsätzlichen Mangel leidet.
Darf die Vorsorgeeinrichtung den Broker entschädigen, wenn er ihre Aufgaben abnimmt – zum Beispiel bei der Betreuung der Arbeitgeberinnen?
Zunächst ist hier ganz genau zu unterscheiden, welche Aufgaben wirklich den Vorsorgeeinrichtungen zugewiesen sind und welche eigentlich Aufgaben der Arbeitgeberinnen sind. So ist es z.B. an den Arbeitgeberinnen, Ein- und Austritte und die zu versicherten Löhne zu melden. Sollte der Broker der Vorsorgeeinrichtung aber tatsächlich Arbeit abnehmen, spricht grundsätzlich nichts gegen eine Entschädigung dieser Tätigkeit. Allerdings ist eine Entschädigung in Prozenten des Beitragsvolumens dann wohl nicht gerechtfertigt. Und immer muss bedacht werden, dass Broker schon aufgrund des Auftragsrechts verpflichtet sind, die Interessen der Arbeitgeberinnen zu wahren – nicht die der Vorsorgeeinrichtung. Zuletzt ist in der Praxis zu beobachten, dass Broker den Vorsorgeeinrichtungen in sehr vielen Fällen mehr Arbeit machen. Aus all diesen Gründen ist die Frage nach der Entschädigung für die Entlastung der Vorsorgeeinrichtungen eher theoretischer Natur und kann sicherlich nicht zur Rechtfertigung des Courtagensystems herangezogen werden.
Können Sie ein Beispiel geben in dem eine Vorsorgeeinrichtung einem Broker Courtagen zahlen könnte ?
Ja und zwar in folgenden Konstellationen:
Erstens ist denkbar, dass die Vorsorgestiftung der Arbeitgeberin die Kosten für den Broker separat in Rechnung stellt und auch jeder Arbeitgeberin nur diejenigen Courtagen verrechnet, die auf ihren Anschluss entfallen. So handelt die Vorsorgeeinrichtung tatsächlich als Zahlstelle der Arbeitgeberin und die Courtagen fliessen nicht aus dem Vorsorgevermögen.
Zweitens ist denkbar, dass die Arbeitgeberin diejenigen Beitragskomponenten, in denen Courtagen enthalten sind (z.B. Risiko- und Kostenprämie) alleine trägt, d.h. ohne den Arbeitnehmern davon etwas vom Lohn abzuziehen. Zwar muss man sich in dieser Konstellation fragen, ob die Beitragszahlungen nicht Vorsorgevermögen darstellen – das scheint mir rechtlich nicht ganz klar. Immerhin wären es jedoch nicht paritätisch geäufnete Mittel, die für die Courtagenzahlungen verwendet werden und aus diesem Grund könnte man argumentieren, dass diese Konstellation zulässig wäre.
Und drittens gibt es die – ganz anders gelagerte – Konstellation, in denen Vorsorgeeinrichtungen die Broker zu ihrer eigenen Unterstützung hinzuziehen, z.B. bei den Rückversicherungsverträgen für die Risiken Invalidität oder Tod. In diesem Fall sind nämlich die Vorsorgeeinrichtungen die Auftraggeber und da ist es selbstverständlich, dass sie die Vermittler entschädigen dürfen.
Ein Teil der Broker behauptet, dass die heutigen Courtagen-Praxis gesetzkonform ist. Was ist Ihre Antwort dazu ?
Aus meiner Sicht ergibt sich aus den oben angeführten Gründen klar, dass das Courtagensystem nicht gesetzeskonform ist.
Es wird bisweilen angeführt, dass Courtagen im Bereich der beruflichen Vorsorge zulässig seien, da diese mit Art. 48a und 48k BVV 2 auf Verordnungsstufe Erwähnung finden, ohne dabei verboten zu werden. Es wird argumentiert, dass der Verordnungsgeber courtagenbasierende Entschädigungsmodelle von Brokern folglich als zulässig ansehen muss. Dieser Argumentation kann meines Erachtens jedoch nicht gefolgt werden, denn einerseits muss aus den Materialien geschlossen werden, dass die Bestimmung mit einem anderen Hintergrund (Bankengeschäft) in die Verordnung aufgenommen wurde und andererseits verstossen Courtagenzahlungen, bei denen mit Vorsorgemitteln Leistungen entschädigt werden, die der Gesetzgeber der Arbeitnehmerin zugewiesen hat, aus meiner Sicht gegen übergeordnetes Vorsorgerecht. Die Erwähnung dieser Entschädigungsart auf Verordnungsstufe vermag daran nichts zu ändern.
Ich glaube zudem, dass ein Grossteil des heftigen Widerstands in Existenzängsten der Broker begründet ist: Broker sind sich nicht gewohnt, ihren Kunden den Mehrwert ihrer Arbeit verkaufen zu müssen, weil sie die Arbeitgeberinnen lange im Glauben gelassen haben, ihre Dienstleistung sei gratis. Noch heute kann man derlei in Broschüren lesen! Und effektiv muss die Arbeitgeberin im Courtagensystem ja keine Rechnungen des Brokers begleichen und hat formell deshalb auch keine Aufwendungen dafür. Dies führt zu grossen Ängsten von Seiten der Broker, dass die Arbeitgeberinnen nicht bereit wären, für ihre Arbeit zu bezahlen. Aus diesem Grund werden aus meiner Sicht auch viele irrationale Argumente in diese Debatte eingebracht.