Folge 7 – Die Rechnung, bitte!

Altersvorsorge 2020, die umfassende Reform des Schweizer Sozialversicherungssystems

Als Fortsetzung unserer Artikelserie zum umfassenden Reformprojekt «Altersvorsorge 2020» präsentieren wir Ihnen heute:

Folge 7 – Die Rechnung, bitte!

Geld macht nicht glücklich – aber was ist es für ein Glück, Geld zu haben! Vor allem beim ehrgeizigen Ziel des Reformprojekts Altersvorsorge 2020, das darin besteht, die mittelfristige Finanzierung unseres Vorsorgesystems zu sichern und gleichzeitig die Leistungen der obligatorischen Vorsorge beizubehalten.

Doch bekanntermassen ist die finanzielle Gesundheit unserer Vorsorge wegen demografischer und wirtschaftlicher Veränderungen in Gefahr. Voraussichtlich muss bei der AHV mit einer Finanzierungslücke von über 8 Milliarden Franken bis 2030 gerechnet werden. Auch die obligatorische berufliche Vorsorge muss stabilisiert werden, damit sie finanziell überleben kann und den zukünftigen Generationen weiterhin zur Verfügung steht.

Die Herausforderungen sind immens und die Reform wird ihren Preis haben. Es ist daher keine Überraschung, dass die zahlreichen finanziellen Massnahmen aus dem Gesamtpaket die Politik und die Bevölkerung spalten: Auf der einen Seite stehen die Befürworter der Altersvorsorge 2020, die keine andere Wahl sehen, wie die angekündigten Ziele erreicht werden sollen. Die Reformgegner hingegen argumentieren, die Rechnung sei eindeutig zu gesalzen …

Wenn man sich angesichts der näher rückenden Volksabstimmung am 24. September 2017 eine Meinung bilden will, muss man daher bezüglich jedes Vorschlags aus dem Reformpaket erstens verstehen, welche konkreten finanziellen Konsequenzen er für die AHV und die berufliche Vorsorge hat, und zweitens, welche wirtschaftlichen Auswirkungen sich für die Versicherten ergeben. Im Folgenden werden die wichtigsten finanziellen Vorschläge, die mit dem Ziel zusätzlicher Einnahmen und Einsparungen durch das Reformprojekt umgesetzt werden sollen, in vereinfachter Weise zusammengefasst.

Zu den wichtigsten Massnahmen, mit denen die Kassen der AHV aufgefüllt werden sollen, gehören: die Anhebung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre, die Anhebung der Mehrwertsteuersätze um 0,6 Prozentpunkte, die Beitragserhöhung um 0,3 Prozentpunkte sowie die Zuweisung des gesamten Demografieprozents* an die AHV. Gleichzeitig sieht die Entscheidung der eidgenössischen Räte jedoch vor, den AHV-Neurentnern einen monatlichen Zuschlag von 70 Franken auszuzahlen und den Plafond für Ehepaare von 150 auf 155 % der Einzelrente zu erhöhen. Damit soll die Senkung des BVG-Umwandlungssatzes kompensiert werden, was allerdings zu einer finanziellen Belastung der 1. Säule führt.

Bei der beruflichen Vorsorge stellt die Anhebung des Rentenalters für Frauen ebenfalls eine zusätzliche Finanzierungsquelle dar. Eine weitere wichtige Massnahme der Reform ist die Senkung des Mindestumwandlungssatzes. Dadurch soll die Situation der Vorsorgeeinrichtungen verbessert werden: Der neue Satz spiegelt die durchschnittliche Lebenserwartung der Rentner und die zu erwartenden Renditen auf dem Kapitalmarkt genauer wider. Diese Massnahme betrifft jedoch nicht die «Übergangsgeneration» (also all diejenigen, die am 1. Januar 2019 45 Jahre und älter sind). Denn dieser Gruppe werden die erworbenen Rechte garantiert, was eine deutliche Belastung für den Sicherheitsfonds BVG darstellt, der für die Auszahlung der Zuschüsse zuständig ist. Und schliesslich werden die Senkung des Koordinationsabzugs und die Anhebung der Altersgutschriften für 35- bis 54-Jährige um 1 Prozentpunkt den versicherten Lohnanteil und somit die Sparbeiträge erhöhen.

Es bleibt eine entscheidende Frage: Wie würde sich die Reform auf die Versicherten auswirken? Wie würde jeder einzelne von uns all diese Massnahmen finanziell zu spüren bekommen? Leider gibt es keine einfache und allgemeingültige Antwort auf diese Frage. Denn die finanziellen Folgen für jeden Versicherten sind von der individuellen Situation und somit von vielen persönlichen Faktoren abhängig: Alter, Höhe des Einkommens, Verbrauch von Waren und Dienstleistungen, verfügbares Alterskapital, Zugehörigkeit zur Gruppe der Neurentner, … All diese Elemente sind bei der Berechnung der finanziellen Folgen der Reform zu berücksichtigen.

Nachstehend finden Sie eine Übersichtstabelle. Sie nennt zum einen die Berechnungen des BSV zu den finanziellen Folgen der Reform für die AHV und die berufliche Vorsorge. Zum anderen enthält sie allgemeinere Angaben zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Massnahmen auf verschiedene Versichertengruppen, sodass jeder Leser / jede Leserin besser verstehen kann, wie die eigene zukünftige Situation aussehen wird, wenn das Projekt angenommen wird.

Wie immer freuen wir uns auf Ihr Feedback, Ihre Vorschläge oder Fragen an News.FondationFCT@trianon.ch und wir kommen mit einem neuen Artikel über das Thema Altersvorsorge 2020 nach der Abstimmung des 24. September.

* Der Ertrag des bereits bestehenden Mehrwertsteuerprozents (Demographie Prozent) geht vollständig an die AHV und wird nicht mehr zwischen AHV (83 %) und Bund (17 %) aufgeteilt.


Weshalb gilt der AHV-Zuschlag nur für Neurentner?

Eine der umstrittensten Massnahmen des Reformprojekts Altersvorsorge 2020 betrifft den monatlichen Zuschlag von 70 Franken auf die AHV-Rente und die Anhebung des Plafonds für Ehepaare von 150 auf 155 % der Einzelrente. Diese Massnahme gilt jedoch nur für Neurentner. Warum?

Die Befürworter dieser Massnahme finden die Begründung einfach: Es sei logisch, dass nur die Neurentner von einer Leistungserhöhung profitieren, da sie am stärksten von den nachteiligen Aspekten der Reform betroffen sind. Dies gilt insbesondere für die Senkung des Mindestumwandlungssatzes um 6,8 auf 6 %, die sich in keiner Weise auf die heutigen Rentner auswirken wird, deren Renten garantiert sind. Dass diese Kompensation auf AHV-Ebene in das Reformprojekt integriert wurde, dient also hauptsächlich dem Zweck, die Verringerung der Leistungen in der beruflichen Vorsorge für zukünftige Rentner abzufedern.

Doch dieser Vorschlag ruft viele Kritiker auf den Plan, die einen Kompensationsmechanismus für die BVG-Renten in der beruflichen Vorsorge statt in der AHV fordern. Ihrer Meinung nach läuft diese Massnahme nämlich dem Ziel der Reform zuwider, indem sie die finanzielle Situation der AHV verschlechtert statt sie mittelfristig zu sichern. Ausserdem sind die Kritiker der Meinung, dass auf diese Weise das Prinzip einer «AHV der zwei Geschwindigkeiten» eingeführt werde, das dem Grundsatz der Gleichbehandlung unserer ersten Säule widerspreche. Zudem kommt die Massnahme den Personen, die es am nötigsten haben (also denjenigen, die Ergänzungsleistungen in Anspruch nehmen), nicht zugute, weil der in der AHV ausgezahlte Zuschlag von den Ergänzungsleistungen abgezogen wird.

Nachdem diese Massnahme bereits für grosse Meinungsverschiedenheiten in den eidgenössischen Räten gesorgt hat, ist darauf zu wetten, dass sie die Gemüter bis zur Volksabstimmung im September auch weiterhin erhitzen wird.


Die wichtigsten Massnahmen der Reform Die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Versicherten Die finanziellen Folgen für die AHV und die berufliche Vorsorge im Jahr 2030
Anhebung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre Die Frauen müssen während eines zusätzlichen Jahres auf ihre Altersrenten verzichten und Beiträge auf ihren Lohn zahlen. Dafür steigen ihre Altersrenten für den obligatorischen Teil um 4 bis 5 %. Die AHV spart bei den Renten 1’210 Millionen Franken ein und erhöht ihre Einnahmen dank der verlängerten Beitragspflicht um 110 Millionen Franken. Das gleiche Prinzip gilt für die berufliche Vorsorge.
AHV-Zuschlag von 70 Franken und Anhebung des Plafonds für Ehepaare Neurentner erhalten für die Einzelrente 840 Franken bzw. bei Ehepaaren maximal 2’712 Franken pro Jahr zusätzlich. Diese Kompensationsmassnahme für die Senkung des Umwandlungssatzes wird für die AHV Zusatzkosten von 1’370 Millionen Franken verursachen.
Erhöhung der AHV-Beiträg Die AHV-Beiträge steigen um 0,3 %, gleichmässig aufgeteilt auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Lohn der Versicherten wird dementsprechend mit 0,15 % zusätzlich belastet. Die Beitragserhöhung wird der AHV zusätzliche Einnahmen von 1’400 Millionen Franken einbringen.
Anhebung der MwSt. Die Anhebung der MwSt. um 0,6 Prozentpunkte wird für jeden Versicherten die Kosten von Waren und Dienstleistungen entsprechend erhöhen. Diese Zusatzfinanzierung wird der AHV Mehreinnahmen von 2’140 Millionen Franken bescheren.
«Demografieprozent»* - Die gesamte 1999 zugunsten der AHV beschlossene Anhebung der MwSt. um 1 Prozentpunkt (Demografieprozent) wird der AHV zugutekommen. Zum Vergleich: Heute sind es 83 %. Zusatzeinnahmen für die AHV: 610 Millionen Franken.
Senkung des Mindestumwandlungs-satzes auf 6 % Die jährliche Rente wird sich für jede Tranche von 100’000 gesparten Franken auf 6’000 statt 6’800 Franken belaufen, jedoch nur für den obligatorischen BVG-Teil von Neurentnern. Diese Reduzierung gilt nicht für die «Übergangsgeneration» (all diejenigen, die am 1. Januar 2019 45 Jahre oder älter sind), denn dieser Gruppe werden ihre erworbenen Rechte garantiert. Die Absenkung des Mindestumwandlungssatzes wird dazu beitragen, die finanzielle Situation der Vorsorgeeinrichtungen zu stabilisieren. Die vom Sicherheitsfonds BVG ausgezahlten Zuschüsse zugunsten der Übergangsgeneration werden 400 Millionen Franken kosten.
Senkung des Koordinationsabzugs und Erhöhung der Altersgutschriften Die Anhebung des versicherten Lohnanteils und der Altersgutschriften für 35- bis 54-Jährige um 1 Prozentpunkt wird eine BVG-Beitragserhöhung zur Folge haben. Im Gegenzug werden diese Veränderungen eine Erhöhung des Altersguthabens und somit eine Verbesserung der Leistungen ermöglichen, insbesondere für Leute mit geringem Einkommen oder in Teilzeit. Die Senkung des Koordinationsabzugs und die Erhöhung der Altersgutschriften werden der beruflichen Vorsorge zusätzliche Beiträge von 1’200 Millionen Franken einbringen.